Du hattest es dir so schön vorgestellt: Wie dein Kind aus dir herausgleitet, wie es dich ansieht, wie du es zum ersten Mal siehst. Und dann selbst zu dir nimmst. Währenddessen pulsiert noch die Nabelschnur, dein Kind liegt auf deiner Brust und du presst ein letztes Mal ganz sanft. Die Plazenta wird geboren.
Eine wunderschöne Vorstellung – zugegeben. Und doch sieht die Realität leider oft anders aus: Nachdem die Frau über eine längere Zeit mit ihren Wehen gearbeitet hat, in Bewegung, im Liegen in Ruhe und in Aktivität versucht hat, die Geburt weiter voranzubringen, wurde ihr irgendwann gesagt: So geht es nicht weiter, wir müssen das Kind jetzt da raus holen!
Also – ab auf den OP-Tisch. Eine Betäubung, ein Schnitt, vielleicht ein Ruckeln – und schon ist es da! Dein Kind! So wunderbar und irgendwie doch auch so enttäuschend. Das hattest du dir anders vorgestellt.
Vielleicht hast du es auch so oder so ähnlich erlebt. Nach dieser Geburt bist du vielleicht enttäuscht, vielleicht hast du es aber auch schon geschafft, damit Frieden zu schließen. Und trotzdem fragst du dich: Wie wird es beim nächsten Mal? Wie geht eine vaginale Geburt nach Kaiserschnitt? (Auch VBAC abgekürzt, falls du das mal lesen solltest!)
Grundsätzlich ist eine vaginale Geburt nach Kaiserschnitt nicht ausgeschlossen! Doch gibt es dazu zuerst einige Fragen, die du dir selbst ganz genau beantworten solltest. Das sind diese:
Willst du eine Vaginale Geburt nach Kaiserschnitt?
Für eine Geburt spielen deine Wünsche und Vorstellungen eine sehr große Rolle: Willst du beim nächsten Mal vaginal gebären? Wenn du es wirklich willst, dann sind schon die besten Voraussetzungen dafür gegeben, dass du es auch kannst (Achtung – noch nicht alle!).
Vielleicht ist es aber auch so, dass du dir eine vaginale Geburt nicht zutraust. Vielleicht hast du große Ängste davor. Es kann auch sein, dass du bei der ersten Geburt so schlechte Erfahrungen gemacht hast, dass du das Ganze beim zweiten Mal einfach umgehen willst.
Zuerst einmal ist es wichtig, dir ehrlich einzugestehen, was du für dich und dein Baby möchtest. Danach kannst du deinen weiteren Weg gestalten.
Aber HALT! Bevor du jetzt wegklickst und denkst: Na gut, ich will eigentlich lieber noch mal einen Kaiserschnitt, denn die Geburt hat mir echt keinen Spaß gemacht! – Lies bitte erst einmal weiter. Schon der nächste Punkt könnte für dich ein sehr entscheidender sein.
Hast du deine vergangene Geburt schon verarbeitet?
Mit „verarbeitet“ meine ich nicht „verdrängt“ oder „abgehakt“. Mit „verarbeitet“ meine ich: Nachbesprochen, reflektiert, verstanden und fühlst du dich mit dir und dem Erlebnis im Reinen, wenn du an die Geburt zurückdenkst?
Ja, das geht tatsächlich! Auch bei einer Geburtserfahrung, die wirklich schlimm war, die dich richtig enttäuscht hat. Dein Ziel muss nicht sein, dass du es nachher schön findest, was passiert ist. Dein Ziel darf sein, damit in Frieden zu kommen.
Denn erst, wenn du diesen Frieden in dir geschlossen hast, bist du wirklich frei in deiner Entscheidung zur ersten Frage: Was willst du? Nur dann kannst du deine Entscheidung bewusst und im besten Sinne für dich und dein Kind treffen.
Bringst du hingegen eine unverarbeitete Geburt mit in deine nächste Geburt, dann ist der Ablauf schon fast vorprogrammiert. Deine Erfahrung aus der vorangegangenen Geburt blieb tief in dir gespeichert und kann sehr schnell wieder aktiviert werden, wenn sich ähnliche körperliche Anzeichen zeigen, wie damals. Die Wehen zum Beispiel. Sobald sie einsetzen, kann es passieren, dass du dich zurückversetzt fühlst in die damalige Situation. Voller Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein und Angst.
Nicht gerade die beste Voraussetzung, um eine kraftvolle und schöne Geburt zu erleben, oder?
Spricht aus medizinischer Sicht etwas gegen eine VBAC?
Neben den psychischen Faktoren, die wir bereits besprochen haben, spielen aber auch körperliche Faktoren eine große Rolle. Dabei stellt sich unbedingt die Frage nach deiner Gesundheit und der Gesundheit deines Kindes.
Lass die Themen Bluthochdruck, Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie, deine Narbe, die Plazenta, die Fruchtwassermenge usw. bei den Routineuntersuchungen in der Schwangerschaft abklären, sodass du hier auf der sicheren Seite bist.
Lass dich außerdem von deiner*m Gynakolog*in beraten, ob medizinische Gründe gegen eine VBAC sprechen. Hierzu können zählen: eine Plazenta praevia (also die Plazenta ganz oder teilweise vor dem Muttermund), ein Längsschnitt in der Gebärmutter (herauszufinden über den OP-Bericht, nicht von außen sichtbar!), andere Operationen an der Gebärmutter, frühere Rupturen oder anatomische Ausschlussgründe, die auch schon früher Ausschlussgrund waren.
Was hingegen kein zwingender Ausschlussgrund für eine vaginale Geburt nach Kaiserschnitt ist: die Größe deines Babys, die Größe deines Beckens (nicht während der Geburt erfasstes Maß), die Narbendicke, bereits mehrere Kaiserschnitte (2 oder 3) und die individuelle Meinung/Einstellung der*s Ärztin*es.
Lass dich bitte von einer Fachperson beraten, die grundsätzlich offen für alle Möglichkeiten ist und hol dir ggf. eine Zweitmeinung ein!
Ganz ausführlich ist auch die wunderbare Hebamme Susann Alvarez auf medizinische Faktoren eingegangen, als ich sie zum Thema vaginale Geburt nach Kaiserschnitt interviewt habe. Das Video findest du auf meinem Instagram-Kanal. Schau es dir unbedingt an, hier erfährst du die besten Tipps aus Hebammensicht. Aber bevor du das tust: Lies zuerst mal weiter im Blogartikel. Jetzt folgt nämlich noch eine super wichtige Frage zum Abschluss!
Wie gehst du in die Geburt?
Damit ist gemeint, wie gut du vorbereitet bist. Damit meine ich sowohl die mentale Vorbereitung als auch die körperliche!
Wie fit bist du? Achte darauf, dass du dich auch am Ende der Schwangerschaft ausreichend bewegst. Ich weiß, das hast du schon sehr oft gehört. Und es ist einfach wahr! Eine Geburt ist eine körperliche Höchstleitung, stärke deinen Körper vorher dafür, damit er die Geburt gut leisten kann!
Dazu gehört auch die Ernährung: Achte auf wenig Zucker, wenig Weißmehl. Wenn du dazu bereit bist, orientiere dich an der Ernährung nach Louwen. Mir hat das in meiner Geburtsvorbereitung sehr viel gebracht!
Auch die mentale Vorbereitung ist essenziell! Es ist wichtig, dass du das Vertrauen in dich und deinen Körper hast und auch behältst. Sei dir dessen bewusst, dass es während der Geburt in dir Zweifel aufkommen können. Oft passiert das an einem Punkt, an dem du dich zurückversetzt fühlst in die „alte Geburt“. Du beginnst zu zweifeln, ob du es diesmal schaffst.
Diese Zweifel sind völlig normal! Wenn du mit ihnen rechnest, hast du ihnen schon einen guten Vorsprung voraus! Lass dich davon nicht verunsichern und nutze gezielt Techniken, um dich wieder ins Vertrauen zu bringen. Zum Beispiel kannst du mit Affirmationen arbeiten oder deine Hebamme oder diene*n Geburtsbegleiter*in vorher instruieren, dir in dieser Situation Mut zuzusprechen und dich zu motivieren!
Einleitung bei einer Vaginalen Geburt nach Kaiserschnitt
Ein besonders wichtiger Tipp von mir: Vergiss deinen ET! Damit meine ich den errechneten Geburtstermin (obwohl „erratener Termin“ es besser treffen würde). Dieser Termin ist nämlich ziemlich großer Quatsch, auch wenn du ihn deine ganze Schwangerschaft lang wie eine heilige Zahl vor dir her trägst! Der Geburtstag deines Kindes lässt sich nicht vorhersagen, weil es so viele individuelle Einflussfaktoren darauf gibt. Gehe lieber von einem zu erwartenden wahrscheinlichen Geburtszeitraum aus, der 2 Wochen vor und 2 Wochen nach „40+0“ ist!
Vermeide bitte nach Möglichkeit, die Geburt nur aufgrund einer „Terminüberschreitung“ einleiten zu lassen. Die Schwierigkeit mit dem Druck am Ende der Schwangerschaft ist nämlich nicht nur der nervige dreiundfünfzigste Anruf deiner Tante, ob denn das Kind jetzt nun schon da ist (während deine Gedanken selbst um kein anderes Thema kreisen, als dieses). Sondern auch die Einleitung.
Wird die Geburt deines Kindes künstlich eingeleitet, ist es gut möglich, dass deine Wehen unkontrollierbar stark werden. Deine Gebärmutter hat bei einer Einleitung unter Umständen nicht ausreichend Zeit, sich langsam auf die Wehentätigkeit einzustellen. Und das ist ein Risiko für Komplikationen mit der Kaiserschnittnarbe – und auch für weitere Schwierigkeiten mit der Geburt.
Das kann zu Problemen führen, muss es aber nicht! Kläre also unbedingt genau ab, ob eine Einleitung wirklich medizinisch notwendig ist oder nicht (hol dir gern eine Zweitmeinung ein). Triff diese Entscheidung wohl überlegt unter Abwägung aller Risiken und des möglichen Nutzens.
Jetzt bleibt für dich wahrscheinlich noch eine Frage offen:
Und was ist mit der Narbe?
Wahrscheinlich hast du große Angst davor, deine Kaiserschnitt-Narbe könnte aufreißen und zu Komplikationen führen. Die Gefahr einer Uterusruptur ist nach einem Kaiserschnitt nur leicht erhöht. Ein wunderbarer Artikel findet sich dazu bei Dr. Ute Taschner, die sich ganz genau mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.
Sei dir gewiss, dass 1. ein gewisses Rupturrisiko auch ohne vorangegangen Kaiserschnitt besteht (und zwar insbesondere bei der Geburtseinleitung) und 2. eine Ruptur zwar ein Notfall ist, aber keiner der nicht auch gut behandelt werden könnte. Eine Ruptur kündigt sich in der Regel durch stechenden Schmerz (auch zwischen den Wehen) deutlich an, was für dich immer ein Zeichen sein sollte, die Klinik aufzusuchen (wenn du nicht schon dort bist) und deine Hebamme zu informieren!
Über die Rolle der Kaiserschnitt-Narbe habe ich auch mit Hebamme Susann Alvarez in meinem Interview ausführlich gesprochen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um es anzuschauen und mir deine Gedanken dazu hier oder im entsprechenden Post bei Instagram zu hinterlassen!
Übrigens: Wenn du eine Kaiserschnittnarbe hast, dann dürfte auch mein Interview mit Ramona von „Ab Jetzt: Mama“ zur Pflege der Kaiserschnittnarbe für dich interessant sein. Hier findest du das entsprechende Interview als Video und zum Nachlesen als Blogartikel.